EN-WIN
Der Markt für rein elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge sieht sich derzeit einem Dilemma gegenüber. Auf der einen Seite ist das Marktangebot in den unteren Nutzfahrzeugklassen N1 und N2 auf Einzelstücke oder Kleinserien begrenzt, deren Produktionskosten nicht mit den in Großserie produzierten Dieselfahrzeugen konkurrieren können. Dem gegenüber steht allerdings auch eine gehemmte Nachfrage, begründet in den höheren Beschaffungskosten und einer anhaltenden Skepsis bezüglich der Reichweite der E-LKW. Flottenversuche des Fraunhofer IML zeigten beispielsweise, dass bei der Einsatzplanung von E-LKW unnötigerweise hohe Reichweiten-Sicherheitspuffer einkalkuliert werden, so dass eine optimale Ausnutzung der elektrischen Fahrzeugreichweite in über 70 % der Fälle nicht gelingt. Derzeit erhältliche Planungstools für Logistikunternehmen schaffen hier keine Abhilfe, da sie Nebenverbraucher (z.B. Heizung, Kühlung, Hebewerke) sowie den Einfluss der stark schwankenden Zuladung bei der Berechnung des Energieverbrauchs nicht ausreichend berücksichtigen. Umso höher das zulässige Gesamtgewicht (zGg) der E-Fahrzeuge, desto mehr gehen Planungsergebnisse und Praxis auseinander. So zeigten Auswertungen des Fraunhofer IML, dass der Energiebedarf durch die Zuladung bei leichten Nutzfahrzeugen um 10 – 15 % zunimmt und bei schweren Nutzfahrzeugen um bis zu 40 % steigt.
Es bedarf also insbesondere hinsichtlich dieser Abhängigkeiten weiterer belastbarer Ergebnisse zum Energiebedarf elektrischer Nutzfahrzeuge unter realen Anwendungsbedingungen. Hier setzt das Forschungsvorhabens EN-WIN an, dessen Ziel es ist, im Rahmen eines 18-monatigen Feldversuchs mit elektrischen und konventionellen Nutzfahrzeugen der Klassen N1 bis N3 in den Bereichen Lebensmittel-, Textil- und Verteilerlogistik eine sehr breite Datenbasis zu schaffen. Mit Hilfe der Analysen soll ein Prognosetool entwickelt werden, das es erlaubt den täglichen Einsatz von E-Nutzfahrzeugen so zu steuern, dass stets die Touren ausgewählt werden, die aus ökologischen und/oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten am sinnvollsten sind. Ein zweiter Schwerpunkt des Vorhabens ist die Entwicklung und der Aufbau eines 26 t E-Nutzfahrzeugs, das einem speziell auf den städtischen Verkehr zugeschnittenen Anforderungsprofil entspricht. Hierbei werden wichtige Erkenntnisse erwartet, wie die Elektromobilität künftig auch im urbanen Schwerlastverkehr eingesetzt werden kann und inwieweit Erkenntnisse aus den leichteren Fahrzeugsegmenten übertragbar sind.
Die Ergebnisse des Projekts tragen dazu bei, die ökologischen und ökonomischen Potentiale elektrischer Nutzfahrzeuge stärker auszuschöpfen und die Akzeptanz der Elektromobilität in unterschiedlichen logistischen Anwendungsfeldern zu steigern. Dies ist ein wichtiger Schritt, um den Kreis aus zu geringer Nachfrage und nicht ausreichendem Angebot von E-Nutzfahrzeugen zu durchbrechen. Damit können eine wesentlich höhere Marktdurchdringung in der Logistik erreicht und die Potenziale der Elektromobilität für den Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz erschlossen werden.