eHighway Schleswig-Holstein: Zwischenergebnisse der Begleitforschung

Ergebnispräsentation in Kiel, © FuE-Zentrum FH Kiel GmbH Ergebnispräsentation in Kiel, © FuE-Zentrum FH Kiel GmbH

Der Feldversuch eHighway Schleswig-Holstein (FESH) mit Oberleitungsinfrastruktur zur Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck ist eines von drei Pilotprojekten in Deutschland. Es wird seit seinem Beginn durch wissenschaftliche Forschungsprojekte begleitet. Am 29. Februar 2024 kamen die Forschungspartner des Feldversuchs in Kiel zusammen, um über ihre Zwischenergebnisse zu informieren. Auch Praxispartner, Unternehmen und Expertinnen und Experten aus benachbarten Forschungsgebieten berichteten über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zur Oberleitungstechnologie.

„Schleswig-Holstein hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutrales Industrieland zu werden. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, zu der alle Sektoren ihren Beitrag leisten müssen – auch und vor allem der Verkehrssektor. Eine der zentralen Herausforderungen für diesen Bereich ist es, CO₂-Emissionen im Schwerlastverkehr zu senken. Das Projekt FESH ist ein wertvoller Beitrag bei der Beantwortung der Frage, wie der Straßengüterverkehr dekarbonisiert werden kann,“ so Joschka Knuth, Energiewende-Staatssekretär im Umweltministerium.

Im Projekt FESH wird die Oberleitungsinfrastruktur mit Oberleitungs-Hybrid-Lkw und Oberleitungs-BEV (Prototypenfahrzeuge) getestet. Durch den Energiebezug aus der Oberleitung kann die elektrische Reichweite der Fahrzeuge erheblich gesteigert werden, ohne dass zusätzliche Ladepausen in Kauf genommen werden müssen und eine größere Batteriekapazität erforderlich ist.

„In dem Projekt FESH konnte mit den eingesetzten Prototypenfahrzeugen gezeigt werden, dass bei elektrischer Fahrt bereits beim heutigen Strommix die CO₂-Emissionen um ca. 50 Prozent gesenkt werden können. Mit zunehmendem Anteil an grünem Strom im Mix steigt das Potenzial in den kommenden Jahren noch deutlich an“, berichtete Dr. Falk Richter, zuständig für die gesamtökologische Bewertung des Oberleitungssystems bei FESH.

Fahrzeugmodelle

Doch nicht nur der Strommix bestimmt das CO₂-Minderungspotenzial, auch die Fahrzeugmodelle werden immer besser. So konnten mit der 2. Generation der eingesetzten Oberleitungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw) bereits deutlich höhere Anteile elektrischer Betriebsweisen erreicht werden. Bei einem Oberleitungsanteil von nur 20 Prozent fahren die OH-Lkw auf ihren Routen bereits bis zu 50 Prozent elektrisch auf ihren Strecken.

„Wir stellen fest, dass die Fahrzeuge nun insgesamt zuverlässig fahren und mit den gestiegenen Energiebezügen aus der Oberleitung auch bereits größere Oberleitungslücken überbrücken könnten“, berichtet Prof. Klaus Lebert vom Fachbereich Informatik und Elektrotechnik der Fachhochschule Kiel.

Energiebezug

Bisher haben die Prototypenfahrzeuge auf dem eHighway Schleswig-Holstein rund 43.000 Kilometer an der Oberleitung zurückgelegt. Dabei wurden sie stetig optimiert. Die Leistungssteigerung der kleinen Flotte war zuletzt deutlich: Lag der Energiebezug im Jahr 2022 noch bei 15 MWh, waren es im vergangenen Jahr 2023 bereits 35 MWh – und das bei rund 17 Prozent weniger Durchfahrten.

Netzintegration

Im Bereich Netzintegration installierten die Forschenden ein kontinuierliches Netzmonitoring und eine automatisierte Datenauswertung, um die Oberschwingungsbelastung und sogenannte Flicker im öffentlichen Netz zu beobachten. Dabei stellten sie fest, dass durch den eHighway keine Grenzwerte überschritten wurden und die Rückwirkungen auf das öffentliche Netz durchweg als unkritisch zu bewerten sind. „Der eHighway hat bis heute keine messbaren negativen Auswirkungen auf die vorgelagerten Stromnetze gezeigt. Das ist für mögliche Rollout-Pläne natürlich eine der elementaren Voraussetzungen“, erklärt Prof. Hans-Jürgen Hinrichs vom Institut für Elektrische Energietechnik der Fachhochschule Kiel.

Verkehrssicherheit

Auch die Analysen zum Fahrverhalten und zur Verkehrssicherheit zeigen ein positives Bild. Die Forschenden erfassten anonym und stichprobenartig das Fahrverhalten mit und ohne Oberleitungsinfrastruktur. Die Ergebnisse zeigen, dass die Oberleitung keinen messbaren negativen Einfluss auf das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmenden hat. Im Bereich der Verkehrssicherheit wird zudem eine Langzeitanalyse des Unfallgeschehens durchgeführt.

„Die bisher durchgeführten Analysen zum Fahrverhalten auf dem eHighway Schleswig-Holstein lassen zum jetzigen Zeitpunkt keine negativen Auswirkungen auf das Unfallgeschehen erwarten.“, erklärt Matthias Rohrbach, Mitarbeiter an der Professur für die Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen an der Technischen Universität Dresden.

Entwicklungspotenziale und Zukunft von FESH

Auch wenn die Erfahrungen aus dem Betrieb der Anlage von den Projektbeteiligten durchweg positiv bewertet werden, gibt es vor einer größeren Umsetzung noch Punkte mit Entwicklungs- und Verbesserungspotenzial. So könnten beispielsweise durch eine Umstellung der Technik von 730 V DC auf eine Spannung von 1,5 kV DC die Leitungsverluste reduziert werden. Damit wäre das System noch effizienter.

Die zusätzliche Nutzung des Stromabnehmers zum stationären Laden auf Rastplätzen oder in Depots könnte einen weiteren Mehrwert schaffen und Platzproblemen entgegenwirken. Angesichts des Potenzials der Technologie und des gestiegenen internationalen Interesses streben die FESH-Projektpartner eine Ausweiterung des Projekts an.

„Das System hat sicher keine große Lobby, aber ungeachtet aller Unkenrufe haben wir bereits gezeigt, dass Oberleitungen auf der Autobahn technisch und organisatorisch funktionieren und effizient und ökologisch sinnvoll sein können. Jetzt möchten wir daran anknüpfen und das System herstellerunabhängig optimieren und in einem direkten Vergleich mit den viel diskutierten Alternativen - insbesondere Brennstoffzellen- und Batterie-LKW - in einer Gesamtsystembilanz evaluieren. Das würde in jedem Fall eine gesicherte Entscheidungsgrundlage schaffen – und womöglich den Kritikern zeigen, dass sich der Aufbau eines größeren Oberleitungsnetzes lohnt. Es kommt nun darauf an, dass die Politik zur Technologieoffenheit steht“, erklärt Jan Bachmann, FESH-Projektleiter der FuE-Zentrum FH Kiel GmbH.
 

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